Reinhard Poguntke
22.04.1955 – 03.09.2022
Wenn ich an Reinhard denke, fallen mir als erstes unsere Theatertouren ein. Wie oft waren wir im Land Brandenburg unterwegs, wie oft in Friedrichshafen am Bodensee.
Wir waren in Schweden, Luxemburg, in der Schweiz und in Polen.
Reinhard war nicht nur unser Techniker. Er war auch so etwas wie der Sicherheitsbeauftragte, irgendwie muss er mal, vor unserer Zeit, so einen Job gehabt haben. Er kannte sich mit der Elektrik aus, hatte schon viel in seine Leben gearbeitet und verfügte über große Erfahrung und kannte sich aus in den unterschiedlichsten Bereichen.
Das machte ihn für ein kleines Theater zu einem quasi idealen Arbeiter und klugen, kompetenten Berater.
Dazu war er aber eben auch unser Kraftfahrer. Das LKW-Fahren war, glaub ich, nicht seine Spezialstrecke, obgleich er beherzt fuhr, manchmal etwas zu beherzt. Einige Rückspiegel blieben an brandenburgischen Bäumen, verschiedene Blitzdokumente blieben auch nicht aus, und wenn auch einmal statt Diesel Benzin in den Tank floss und wir die halbe Nacht an der Tankstelle verbrachten – letzten Endes kamen wir immer an und die Vorstellungen fanden statt. Einladen, fahren, ausladen, aufbauen, abbauen, einladen wieder fahren – endlich Bier trinken, viel viel rauchen – lange Reden bis in den frühen Morgen – das alles manchmal mehrmals an einem Wochenende. Das alles muss man erstmal unfallfrei hinbekommen, das muss man aushalten, ohne Hektik, ohne Brüllerei, eigentlich war er immer freundlich. Reinhard machte den Job.
Wir waren ein kleines Theater aber hatten öfter Dekorationen wie die Oper. Wenn ich an das Stück GÄSTE von Oliver Bukowski oder DER REGENWETTERMANN von Alfred Matusche denke. Es waren aufwändige, ambitionierte Arbeiten. Die Beleuchtung hatte es auch in sich und die Zusammenarbeit mit dem Lichtdesigner aus St. Petersburg Sascha – Alexandre Myznikow – war nicht immer einfach. Wahrscheinlich hatte er in Russland 15 Beleuchter unter sich und jetzt Reinhard. Reinhard blieb cool. Er fügte sich ein, passte sich an, ohne sein eigenwilliges, unverwechselbares Außen und Innen aufzugeben.
Manchmal wurde der Bart immer länger und sein Gesicht verschwand in den wallenden Haaren. Die Zigarette konnte den Mund kaum finden – und sein Lächeln blieb öfter unerkannt.
Aber Reinhard lächelte – über Sascha, über Regisseure, Bühnenbildner und Schauspieler, über sich – Gott und die Welt.
Wir haben in glühender Hitze – Sascha war irgendwie nicht da – Gerüststangen auf die Burg Eisenhardt in Bad Belzig getragen. 500 Meter, weil der LKW nicht durch das Burgtor passte. Wir haben vom uckermärkischen Feld Steine geladen, bis die Räder festsaßen und alles wieder raus musste, wir haben viel Unsinn gemacht aber auch die schönsten Erlebnisse gehabt und Erfolg. Wir erhielten Preise und immer wieder Förderungen. Nach 1989 noch vom Ostberliner Magistrat, dann viele Jahre vom Gesamtberliner Senat und endlich vom Land Brandenburg, das uns heute noch finanziert. Wir hatten zwei feste Spielstätten in Berlin, haben ein ehemaliges Offizierskasino in Altes Lager bei Jüterbog ausgebaut und sind viele Jahre im Land Brandenburg unterwegs.
Reinhard hatte Freunde. Sven, der von der Ostberliner Volksbühne zu uns kam und immer mal wieder mit uns gearbeitet hat. Der eine Zeitlang als Gemeindearbeiter für DAS HAUS in Altes Lager zuständig war und der für Reinhard immer ein Ohr und ein Bier im Kasten hatte.
Sebastian mit der Gitarre und den schönen Liedern, den schönen Frauen und dem klugen Kopf.
Und natürlich auch Sascha, mit dem er Kartoffeln kochte, Verschwörungstheorien in Russisch und Deutsch diskutierte und in unendlichen Gesprächen die Tiefen des Alkohols ausmaß.
Als wir von seinem Tod hörten, haben wir ein Foto von ihm gesucht und keins gefunden.
Dann gab es doch eins. Reinhard sitzt vor seiner Lokomotive. Einfach toll.
Hans-Joachim Frank
theater 89
05. Oktober 2022
Foto Sven Kockro