Gretchen nervt Faust mit der Frage: „Nun sag’, wie hast du’s mit der Religion.“ Er redet um den heißen Brei herum und bleibt die Antwort schuldig. Wir sagen zu den Beteiligten der Sommertournee 2017 ebenfalls: „Hand auf’s Herz!“ Und hoffen, sie werden etwas konkreter …
Kristin Schulze, Schauspielerin und Sängerin. Der dritte Streich.
theater 89: Kristin Schulze, wie hast du’s mit der Reformation?
Kristin Schulze: Der evangelische Glaube wurde mir zunächst in meiner Kindheit familiär etwas zu gewaltsam aufgedrückt. Für mich hatte das nichts mit freiem Willen und Interesse zu tun. Ich konnte das nicht nachvollziehen, das war mir alles zu aufgesetzt. Vor allem auch, weil ich in dieser Zeit mit Menschen konfrontiert wurde, die im Miteinander etwas völlig anderes lebten, als sie predigten und vorgaben zu sein, hatte ich eine lange Zeit eine Art innere Sperre mich mit dieser Thematik zu befassen. Soweit meine persönliche Erfahrung. Die Interpretation, das Ausleben oder gar das Benutzen ist ja aber leider immer und überall ein Thema aller Religionen. So hatte ja auch die Kirche selbst ihren Raum, allerlei Schabernack zu treiben.
Die Reformation hat da viel geschafft, auch im Bewusstsein der Menschen. Eine Art Bildungsdurchbruch, einen neuen Humanismus, neue Selbstbestimmtheit. Alte Muster in Frage zu stellen und weiterzuentwickeln ist nie falsch und immer wichtig.
t89: Mit Luther?
KS: Ich soll ja angeblich mit ihm verwandt sein. Irgendjemand aus meiner Familie hat einmal schrecklich viel Geld in Ahnenforschung gesteckt und meine familiären Zweige soweit zurückverfolgen lassen, bis jemand Prominentes dabei war.
Naja, gibt Schlimmeres, ein mutiger Revoluzzer. Gewisse Aussagen zum weiblichen Geschlecht kann ich so allerdings nicht unterschreiben. Aber im Kontext der damaligen Zeit drücke ich ein Auge zu.
Der Luther’sche Gedanke von „Nobody`s perfect“, die Akzeptanz von jedermann, auch mit seinen Fehlern, in Glaube und Gewissen frei zu sein und vor allem, dass jeder Mensch gleich viel wert ist, sind Grundwerte, die leider selbst in unserer heutigen Zeit immer noch nicht selbstverständlich sind.
In unserer im Materialismus und Egoismus gefangenen Gesellschaft ist sein freiheitlicher Gedanke nach wie vor wichtig, sich aus vorgegebenen Bindungen lösen zu können, eine individuelle Freiheit leben und Fehler machen zu dürfen. Vertrauen zu haben, keine Angst, also zu glauben. Und damit auch mehr geben zu können, ein besserer Mensch für sich und Andere sein zu können.
t89: Wie hast du’s mit Hans Sachs?
KS: Erstmals kennengelernt habe ich ihn als Kind im Meininger Theater in „Die Meistersinger von Nürnberg“ von Wagner, als Schuster und Meistersinger natürlich. Damals stand ich mit meinen Eltern und meinem Bruder auf der Bühne.
Dass er auch ein wichtiger Spruchdichter und Dramatiker seiner Zeit war, habe ich erst in unserer jetzigen Produktion erfahren.
Es macht großen Spaß, sich in seiner Sprachwelt, seiner durch Verse und Dialekt geprägten Rhythmik zu bewegen. Die Stücke zeugen von Humor und Lebenslust, ganz direkt, ehrlich, agil. Und behandeln erstaunlicherweise zwischenmenschliche Themen, die heute noch aktuell sind.
Mit Musik und Liedern?
KS: Da ich ursprünglich Gesang studiert habe, gehört das gewissermaßen zu meinem täglich Brot. Hier auch singen zu können hat für mich einen besonderen Reiz. Der Wechsel von unverstärktem kraftvollen Sprechen und den feinen Liedern birgt stimmlich eine neue Erfahrung und auch Herrausforderung für mich, wodurch ich auch in diesem, mir absolut vertrauten Terrain, noch dazulernen darf. So kann man sich jeden Abend, in jeweils unterschiedlichen akkustischen Bedingungen bestenfalls immer noch etwas weiterentwickeln.
t89: Wie hast du’s mit theater 89 und der Sommertournee?
KS: Ach, herrlich. Eine Ehre, mit diesem wunderbaren Team von professionellen, herzlichen, klugen Leuten zusammenarbeiten zu können und dabei jedesmal neue Orte zu entdecken. Ich hoffe der Sommer ist noch lang …
t89: Den sonstigen beruflichen Aktivitäten?
KS: Spielen, Singen, Tanzen.
Obwohl ich schon groß bin. Im Moment regelmäßig im Berliner Kriminaltheater, am zuvor erwähnten Meininger Theater und in Konzerten, etc.
t89: Und den eigenen Ferien?
KS: Blicke ich ganz entspannt entgegen, hier und da ein paar freie Tage, nichts Großes. Verreisen kommt ein andermal dran. Aber wenn die Arbeit einen erfüllt, man auch noch rumkommt und der Energieflow und die Balance stimmen, besteht auch keine große Notwendigkeit. Im kalten grauen Winter aber bestimmt wieder.
t89: Gibt es eine Frage, die wir nicht gestellt haben, die du aber unbedingt beantworten möchtest?
KS: Ja, es macht bei allem Wetter Spaß!